Miteinander

Ansichtssache?

Ich habe den Eindruck, dass die Menschen in Deutschland und Österreich in gewisser Weise verlernt haben, wie man miteinander umgeht (wie es in anderen Ländern aussieht, weiß ich nicht).

Was ich meine: Gruppen, Vereine, Kirchengemeinden tun sich momentan schwer, wieder ein gemeinsames Miteinander zu finden. Dass man wieder lernt, einander zu vertrauen, dass man sich an Absprachen oder Probentermine hält. Warum sollte ich zuhause meine Lieder für die Chorprobe lernen? Oder im privaten Bereich: Eine Stunde vor Beginn der Geburtstagsfeier: „Du, sorry, ich kann nicht kommen, weil ich mit meiner Freundin tanzen gehe.“ Und du hast schon Essen für zehn Gäste gekocht, von denen schon der vierte absagt. Oder man sagt Hilfe beim Umzug zu und hält sich nicht daran. Eine krasse Unverbindlichkeit macht sich breit. Oder – ich beobachte es auch bei mir selbst – dass es aggressiver zugeht. An der Supermarktkasse, weil es plötzlich „haushaltsübliche Mengen“ gibt und man eigentlich mehr Butter mitnehmen wollte. Im Straßenverkehr, weil jemand einem die Vorfahrt nimmt, der Vordermann zu langsam fährt oder jemand einen kleinen Fehler macht. In Familien bekommt man sich wegen lächerlicher Themen in die Haare. In der Arbeit streitet man sich über den Ukrainekrieg oder Corona. Man stellt Erwartungen an Freunde und enttäuscht deren Erwartungen.

Es sind manchmal auch ganz subtile Dinge wie solche Gedanken: „Darf/ soll ich dem jetzt die Hand geben. Will der das überhaupt?“ „Steh ich zu nahe bei der Frau in der Warteschlange?“ „Irgendwie könnte sich mein Kumpel doch mal bei mir melden.“ Und der Kumpel denkt das gleiche. „Die Couch ist wesentlich bequemer als das Planungstreffen vom Sportverein.“ Oder die Vereine lösen sich gar auf, weil keiner mehr bereit ist, etwas zu tun. Oder man bekommt Mails oder WhatsApp-Nachrichten, die weder eine Anrede, ein Hallo noch eine Schlußformel haben.

Ich bin der Meinung, solche Phänomene haben zugenommen. Vielleicht meine ich das auch nur. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege.

Alleine

Ich glaube, dass ganz viel von dem ganzen „Social Distancing“ (was für ein an sich krasses Wort!) und der Gesichtslosigkeit vom Maskentragen kommt. Wir waren jetzt fast zwei Jahre lang sehr viel alleine oder mit der Familie zuhause. Wir wurden vor anderen Menschen gewarnt – sie könnten ja ein Virusträger sein. Das hat sich alles in unser Unterbewusstsein eingebrannt und was wir gesät haben, bzw. was gesät wurde, keimt jetzt. Was uns gesagt wird, was wir hören, macht natürlich was mit uns. Es verändert uns (siehe den Beitrag „Satt oder nur vollgefressen?„).

Abhängigkeiten

Gott sagt am Anfang der Schöpfung: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Oder im Prediger-Buch steht: „Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei.“ Jesus war auch nicht allein auf dieser Welt – er hatte zwölf Jünger. Und viele weitere Nachfolger. Es gab und gibt nicht umsonst Familien, Stammesgemeinschaften, Dorfgemeinschaft, unzählige Gruppierungen und Unternehmen, in denen sich Menschen zusammentun, um etwas zu erreichen und gemeinsam zu leben. Nicht jeder ist handwerklich geschickt und nicht alle haben einen grünen Daumen oder sind fähig, mit Hightechmaschinen zu arbeiten. Kurz: Wir sind aufeinander angewiesen und von einander abhängig. Wir verkümmern, wenn wir alleine sind. Deshalb ist es Gift, wenn wir dennoch den Kontakt zu Menschen meiden (müssen). Manche kommen damit mehr, manche weniger zurecht. Aber ohne die anderen geht es nicht.

Andere Wege beschreiten

Damit wir wieder besser miteinander können, sollten wir nicht auf die anderen warten, dass sie was tun. Jeder von uns kann sich in die „Gesellschaft“ einbringen, dem anderen zuhören, Zusagen halten, sich weniger wichtig nehmen, Rücksicht nehmen und vielleicht seine Bedürfnisse hinterfragen und hinten anstellen.

Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst – dann kommen wir wieder zu einer Gesellschaft, in der sich jeder wohlfühlt.


4 Gedanken zu “Miteinander

  1. hi alex, ein guter und wichtiger text und ja, ich empfinde es bisweilen auch so. eben, als ich vom „social distancing“ in deinem text las, dachte ich: eigentlich ist das das falsche wort. es müßte anti-social-distancing heißen. denn, wie du schreibst, diese erzwungene distanz hat folgen, die jetzt spürbar sind, fühlbar, erlebbar oder eben nicht erlebbar. danke fürs draufschauen, hinschauen und drüber schreiben. auch für die einbindung der textstellen aus der bibel. lg m.

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